Am Dienstag, 2. Juli stand eine ganz besondere Marketing-vor-Ort-Veranstaltung auf dem Programm, die mit über 40 Mitgliedern mal wieder für ein volles Haus sorgte. Wir durften hinter die Kulissen der Justizvollzugsanstalt blicken. Das Thema: Der Quantensprung und die Quadratur des Kreises. Am 26. Oktober 2015 hat die neue Justizvollzuganstalt (JVA) am Fliegerhorst in Gablingen eröffnet. Insgesamt können dort bis zu 609 Gefangene untergebracht werden. die alle drei früheren Anstalten hier in einer vereint. Die Justizvollzugsanstalt Augsburg bestand zuvor aus der Anstalt I in der Karmelitengasse, der Anstalt II und der Jugendarrestanstalt im Hochfeld.
Bevor es zur Führung in zwei Gruppen ging, die von dem stellvertretenden Anstaltsleiter Stefan Loh und dem Abteilungsleiter Franz Höfler geleitet wurden, durften alle erst einmal ihren Ausweis und ihre Wertsachen in diversen Schließfächern verwahren. Dann ging es auch schon durch die Schleuse in den Innenhof der Anstalt. Nach einer kurzen Einführung startete der knapp zweistündige Rundgang.
Natürlich wollten alle wissen, wo denn nun der Audi-Chef Rupert Stadler seine Untersuchungshaft absaß. Aus Datenschutzgründen gab es hierauf natürlich keine Antwort. Interessant sind die drei verschiedenen Besuchsräume, die es dort gibt. Man unterscheidet je nach Haftgrund den Langtischbesuch mit einer Scheibe zwischen den Sitzplätzen, den Trennscheiben- und den lockeren Cafeteria-Besuch: „Die Häftlinge dürfen nur einmal im Monat für eine Stunde Besuch bekommen. Bei der Untersuchungshaft sind es zwei Stunden. Es gibt jedoch auch Ausnahmen. Hier entscheiden wir, was für den Einzelnen sinnvoll ist“, sagt Loh. Bei der Eröffnung im Herbst 2015 war das Interesse an der JVA riesig. Über 23.000 Menschen wollten sich die Räumlichkeiten ansehen und wurden durchgeschleust. „Die Leute standen fast vier Stunden in der Schlange“, so Loh. Das war eine große Herausforderung. Umso mehr waren die Mitglieder des Marketing Clubs Augsburg gespannt, was sich hinter der Torwache so alles verbirgt. Loh erzählt, dass jeder Gefangene zur Arbeit laut Gesetz verpflichtet sei. So könne er sich etwas dazuverdienen und sich auch persönliche Dinge einkaufen. Auch nach der Entlassung habe er dann noch etwas Geld zum Leben, das gesetzlich vorgeschrieben angespart werden muss. Hier in Gablingen gibt es nur Männer zwischen 18 und über achtzig Jahren. Der Ausländeranteil ist sehr hoch. Er liegt über 60 Prozent. Im Durchschnitt sind die Gefangenen zweieinhalb Jahre hier. Das kann aber auch bis zu sechs Jahre dauern. Zuerst war es angedacht, nur die Untersuchungshaft hier zu haben. Doch es kam anders. Die Hälfte sind Untersuchungshäftlinge und die anderen Gefangenen sind zur Strafhaft hier.
Genau 254 Meter Länge hat der Gang, der die Häftlinge von draußen trennt. Man nennt es die Magistrale, die die ganze Anstalt auf einer Ebene verbindet. Hier kommen die Leute von extern herein. Auf der anderen Seite des Ganges sind die vier Hafthäuser, wo bis zu 609 Gefangene untergebracht werden können. Im Moment ist die JVA fast ganz belegt. In Spitzenzeiten sind aber schon mal knapp 700 Häftlinge hier gewesen. In einem Haftraum steht ein Einzel- oder Stockbett, es gibt ein Waschbecken.
Auch hat der Gefangene die Möglichkeit, sich einen Fernseher zu mieten oder zu kaufen. Viel Platz ist das nicht gerade. Jeder Gang hat eine kleine Gemeinschaftsküche und Gemeinschaftsduschen. In Gablingen gibt es sogar einen Fitnessraum, eine Turnhalle und einen Sportplatz im Freien. „Das haben nicht alle Gefängnisse. Doch hier können die Häftlinge Aggressionen und Stress abbauen und sie haben ein soziales Miteinander zu festgelegten Zeiten. Diese Freizeiteinrichtungen sind die wesentlichen Pfeiler der inneren Sicherheit“, so Loh. Wichtig ist der geregelte Tagesablauf für die Häftlinge, der ihnen dort während der Haft beigebracht wird. „Viele waren das vorher nicht gewohnt.“ Nach Delikten wird in der JVA nicht getrennt.
In der JVA gibt es einen Friseurbetrieb zu Ausbildungszwecken, eine Krankenabteilung mit 24 Betten und elf Krankenpflegern. Wichtig sind die Sozialpädagogen, Psychologen und Seelsorger, die sich um die Häftlinge kümmern und die Resozialisierung vorantreiben sowie eine Radikalisierung verhindern sollen. „Hier wird nicht nur jemand weggesperrt. Er soll als besserer Mensch entlassen werden. Das ist unser Anspruch“, so Loh. Es gibt sogar einen eigenen pädagogischen Dienst mit zwei Lehrern, weil auch Schulabschlüsse möglich sind.
Die wichtigsten Ansprechpartner für die Häftlinge sind die Justizvollzugsbeamten. Man denkt immer, sie sperren nur auf und zu, aber dem ist nicht so. Diese Vorstellung ist nicht mehr zeitgemäß. Auch sie werden unter anderem in Psychologie in ihrer 18-monatigen Ausbildungszeit geschult. In der Anstalt selbst trägt keiner eine Waffe. Die Justizvollzugsbeamten werden deshalb in waffenloser Selbstverteidigung ausgebildet. Leider gehe das Bildungsniveau bei den Gefangenen immer mehr nach unten und es gibt immer mehr Übergriffe auf Bedienstete, weiß Loh. Zudem mache der hohe Ausländeranteil das Zusammenleben unter den Inhaftierten nicht leichter.
Nach der Führung durch die wesentlichen Teile der Anstalt durften unsere Mitglieder die Eigenbetriebe mit den Werkstätten und der Produktion ansehen. Eine Mitarbeiterin der Arbeitsverwaltung führte die Gruppe durch drei große Hallen mit gesamt über 3000 Quadratmeter Fläche, wo die Häftlinge arbeiten dürfen. Dazu kommt noch ein 700 Quadratmeter großer Lagerbereich. Hier werden Produkte montiert, genietet, etikettiert, gefalzt, genäht und vieles mehr. „Viele Arbeiten können auch Ungelernte ausführen“, so die Mitarbeiterin. In den Eigenbetrieben werden die Häftlinge auch ausgebildet. Die geregelte Arbeit und berufliche Bildung haben bei den Bemühungen um die Wiedereingliederung eines Verurteilten eine entscheidende Bedeutung. „Wir wollen eine möglichst hohe Anzahl von Inhaftierten beschäftigen, um sie durch den Erhalt oder Vermittlung beruflicher Qualifikationen auf das Erwerbsleben nach der Entlassung vorzubereiten.
Hier können Unternehmen anfragen, ob es möglich ist, in diesen Werkstätten ihre Produkte günstig zu produzieren bzw. weiterzuverarbeiten. Die Zusammenarbeit mit der JVA stellt für Unternehmen eine gute Alternative zu einer Produktionsverlagerung ins Ausland dar. Hier gibt es alles aus einer Hand – vielseitig und flexibel. Mehr unter www.jva.de und http://www.haftsache.de
„Wir bekamen einen umfassenden und tollen Einblick in die JVA und den Betrieb dazu“, bedankte sich Michael Tusch vom Marketing Club. „Nicht nur die Gebäude haben wir kennengelernt, sondern auch, was hier alles an Arbeit dahintersteckt. Vielen Dank.“ Nach der Führung wurden alle noch von der leckeren Kantine der JVA verköstigt und durften auf der Terrasse Platz nehmen. Auch bei vielen externen Veranstaltungen hat diese Anstaltsküche schon öfters beeindruckt. Ein rundum gelungener Abend!
Zum Bild: Der stellvertretende Leiter der JVA Stefan Loh und Abteilungsleiter Franz Höfer freuen sich über den Jim Knopf, den ihnen Michael Tusch vom Marketing Club Augsburg überreicht hat.
Bericht und Fotos: Sabine Roth