Am 25. Juni war es mal wieder Zeit für eine Veranstaltung im Rahmen der Marketing-Intensiv-Reihe an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg. Auf Einladung von Prof. Dr. Michael Paul (Universität Augsburg) war Prof. Dr. Thomas Rudolph von der Universität St. Gallen zu Gast und sprach zur Zukunft des Marketings, und warum Kundenzufriedenheit heutzutage nicht mehr ausreicht.
Prof. Dr. Thomas Rudolph ist Inhaber des Gottlieb Duttweiler Lehrstuhl für Internationales Handelsmanagement an der Universität St. Gallen. Seit 2009 leitet er als Direktor das Forschungszentrum für Handelsmanagement an der Universität St. Gallen, wo sein Lehrstuhl und das Retail-Lab, ein Partnerschaftsprojekt mit verschiedenen internationalen Handelskonzernen, angesiedelt sind. Thomas Rudolph lehrte 1998 als Gastprofessor an der Brigham Young University in Utah, 2001 an der University of Florida, 2006 an der ESADE in Barcelona und 2008 an der Massey University in Auckland. Er hat über zehn Bücher und mehr als 300 Artikel zu Marketing und Handelsthemen verfasst. Als Verwaltungsrat, Coach und Experte steht er in engem Kontakt mit den Medien und der Praxis.
Zu Beginn seines Vortrags stellte Prof. Rudolph drei zentrale Überlegungen heraus: (1) Der von Unternehmen erwartete Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität ist in der Realität oftmals nur relativ schwach. (2) Der Kaufprozess von Konsumenten gestaltet sich aufgrund des Internets heutzutage als iterativ und sprunghaft und nicht wie in früheren Zeiten als linear und systematisch. (3) Die Marketingziele der meisten Unternehmen beziehen sich vor allem auf die Phase vor (z.B. Kundeninteresse) und nach dem Kauf (z.B. Kundenzufriedenheit), aber wenig auf die Kaufphase selbst, wo er das Ziel der Kundeninspiration verortet, welches diese Lücke schließen soll.
Laut Prof. Rudolph ist Kundeninspiration eine im Kaufprozess durch Marketing-Stimuli hervorgerufene Bedarfsweckung, die positive Emotionen auslöst, Begehrenswertes ins Bewusstsein rückt und eine Motivation beim Konsumenten erzeugt, das Produkt bzw. die Leistung zu kaufen. Bei der Messung von Kundeninspiration sind zwei Dimensionen zu berücksichtigen: dass man erstens von etwas inspiriert wird (z.B. „Ich habe etwas Neues entdeckt) und zweitens zu etwas inspiriert wird (z.B. „Mein Interesse, etwas zu kaufen, wurde geweckt“). Gemeinsam mit Kollegen hat Prof. Rudolph hierzu ein Fragebogeninstrument entwickelt, das er in der weltweit renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift Journal of Marketing veröffentlicht hat.
Im weiteren Verlauf seines Vortrags berichtete Prof. Rudolph aus einer Kundeninspirationsstudie im Handel aus dem Jahr 2017, die er zuvor schon einmal in 2012 durchgeführt hatte. Die erste wichtige Erkenntnis der Studie ist, dass Konsumenten vor dem Kauf vieler Produkte wenig festgelegt sind, wo, was und für welchen Preis sie kaufen. Für Händler bedeutet dies, dass es großes Potential zur Kundeninspiration am POS gibt. Eine weitere Erkenntnis der Studie: Kunden, die mehr Touchpoints während eines Kaufprozesses haben, sind inspirierter beim Kauf. Und inspirierte Kunden besuchen mehr Geschäfte und Abteilungen, kaufen mehr Produkte und zu höheren Preisen und sind insgesamt zufriedener und loyaler zu Händlern. Ein Vergleich der Studien aus 2012 und 2017 zeigt, dass die Kundeninspiration in den meisten Handelsbranchen leicht gestiegen ist. Der Benchmark für Kundeninspiration in 2017 ist IKEA.
Den spannenden Schlusspunkt des Vortrags bildeten Empfehlungen von Prof. Rudolph, wie Händler in Zukunft mehr Kundeninspiration schaffen können. Mögliche Quellen der Kundeninspiration sind das Personal (z.B. Verkäufer), Produkte (z.B. Präsentation), Werbung (z.B. Social Media), Layout (z.B. Ladengestaltung) und Technologien (z.B. AR und KI). Wichtig sei es dabei zu beachten, dass Maßnahmen der Kundeninspiration auf Themen abzielen, die zur Kernpositionierung einer Marke passen. Prof. Rudolph empfiehlt Unternehmen, zunächst im Kleinen anzufangen und punktuell erste Experimente zu mehr Kundeninspiration mit einzelnen Produkten und in einzelnen Abteilungen zu wagen, um dann das gesamte Unternehmen hin zu einer ganzheitlichen Kundeninspiration zu entwickeln.
Im Anschluss an den Vortrag entfaltete sich eine lebhafte Diskussion mit dem Publikum, das vom Vortrag begeistert war. Insbesondere die vielen Einblicke zu Hintergründen in der Handelsbranche und zu aktuellen Entwicklungen u.a. in Asien, die Prof. Rudolph aus seiner langjährigen Tätigkeit als Verwaltungsrat führender Handelsunternehmen und Experte geben konnte, inspirierten die Zuhörer. Prof Paul resümierte: „Der heutige Vortrag und die Forschung zur Kundeninspiration von Kollege Rudolph sind ein perfektes Beispiel dafür, dass Spitzenforschung und Praxisrelevanz keinerlei im Widerspruch stehen, sondern sich im Idealfall gegenseitig befruchten.“
Text und Bilder: Prof. Dr. Paul