Besonders tiefe und lebendige Einblicke in den Rohbau des künftigen Straßenbahntunnels unter dem Hauptbahnhof bekamen unsere Mitglieder am 8. Oktober bei der Marketing-vor-Ort-Veranstaltung direkt auf der Großbaustelle. Warum man diesmal geschlossene Schuhe anziehen sollte, war schon beim Eingang West an der Rosenaustraße schnell jedem klar. Denn diesmal ging es nicht zu einem Vortrag in ein sauberes Gebäude, sondern direkt ins Tunnel unter den Hauptbahnhof. So durften wir live dabei sein, wie ein Baustellenfahrzeug nach dem anderen riesige und tonnen schwere Stahlbauteile in den Tunnel transportieren.
„Heute erleben Sie echtes Offline-Marketing – live von der Baustelle, so SWA-Chef Alfred Müllner bei der Begrüßung. Seine Mitarbeiterin Dorothee Schäfer verantwortet die Kommunikation dieses Großprojekts und leitete die Führung. Mit ihrem äußerst kompetenten Fachwissen vermittelte sie sehr lebendig alles Wissenswerte rund um den künftigen Straßenbahntunnel samt Haltestelle und Wendeschleife. Denn: Augsburg bereitet sich derzeit auf den zunehmenden Bedarf der Menschen nach Mobilität vor: intelligent und vernetzt, umweltfreundlich und barrierefrei.
Das wichtigste Wort während der Bauphase ist Sperrpause, weiß Schäfer. „Wir müssen sehr oft in den bestehenden Bahnbetrieb eingreifen und uns deshalb mit der Bahn absprechen. Meistens finden die Sperrpausen nach Mitternacht statt, weil hier die wenigsten Züge fahren. In der Früh sind die Arbeiter dann soweit fertig. Bis zur nächsten Sperrpause.“ Ein Pfahl nach dem anderen muss gesetzt werden. Das zeitliche Korsett sei trotz allem sehr unelastisch. Was Augsburg aber hinterher hat, hat wirklich Großstadtflair. Der neue Hauptbahnhof wird als modernes Drehkreuz barrierefrei und auf direktem Weg die Straßenbahnen mit dem Regio-Schienenverkehr und den nationalen sowie internationalen Bahnlinien in einem Bauwerk verbinden.
Die Mobilität wird sich auf drei Ebenen abspielen: unten an der neuen Straßenbahnhaltestelle, oben an den Bahnsteigen und auf der Verteilerebene dazwischen. 20 Rolltreffen und acht Aufzüge sorgen für barrierefreie und komfortable Zugänge. Mit 19 Metern wird sie dreimal so breit wie heute sein. Ein weiterer Vorteil ist der neue Zugang vom Westen am Rande des Thelottviertels. Endlich wieder eine direkte Fußwegverbindung zum Bahnhof, dem Straßenbahnnetz und in die Innenstadt. Die Straßenbahn soll in Augsburg das Nahverkehrsmittel der Zukunft sein. Deshalb werde die Tram optional mit dem Fern- und Regionalverkehr verbunden. Die Straßenbahnlinien direkt unter den Gleisen sollen die Stadt aus allen Richtungen erschließen. Viele interessierten sich natürlich auch für die geplante Linie 5, die in Richtung Uniklinikum fahren soll. Bis 2023 werde sie allerdings noch nicht fertig sein.
Was sind die nächsten Schritte? Das letzte Tunnelstück unter dem Bahnhofsvorplatz steht kurz vor der Fertigstellung. In Absprache mit dem Denkmalschutz laufen die baulichen Vorbereitungen der Eingangshalle im Bahnhofsgebäude derzeit auf Hochtouren. Fenster und Türen werden aus den Arkaden genommen und die entstandenen Zwischenräume anschließend vermauert um die Fassade zu stabilisieren. Auch die Wandverkleidungen sowie die Decken im Inneren der Eingangshalle sind bereits abmontiert und werden bis zu ihrem Wiedereinbau sicher eingelagert. Zudem wird die komplette Ostfassade mit Stahlträgern und Pressen gestützt, um ein Absinken während der Bauarbeiten zu verhindern. Da das denkmalgeschützte Bahnhofsgebäude nicht beschädigt werden darf, kommt bei der Untertunnelung ein besonderes Verfahren zum Einsatz. Nach den aktuell laufenden Probebohrungen wird Zement ins Erdreich unter dem Bahnhofsgebäude eingespritzt, um dort die Tunnelwände aufzubauen, zwischen denen die Straßenbahnen in Zukunft den Bahnhof unterqueren werden. Gleis 7 und 8 sind bereits fertig untertunnelt. „Seit August ist die Baugrube also zwei Gleise weitergehüpft“ erklärt Schäfer in ihrer humorvollen Art.
„In 2023 sind wir fertig“, sagt Schäfer. Rund 80.000 Menschen werden dann jeden Tag ein- und ausgehen. Dass bei diesem Zeitplan auch nichts dazwischenkommt, dafür sorgt eine Projektgruppe mit 30 Fachleuten. Auch zum wichtigen Thema der Finanzierung gibt sie gerne Auskunft. Im Moment werden die Kosten auf 210 Millionen geschätzt. Tendenz steigend, maximal jedoch 250 Millionen Euro. Allein 30 Millionen sind der Anteil der Bahn, 5 Millionen muss die Stadt für den Fußweg aufbringen. 175 Millionen sind der Anteil der Stadtwerke. Davon werden 130 Millionen von Stadt und Land gefördert, sonst könne man laut Schäfer ein solches Nahverkehrsprojekt nicht stemmen. „Die Förderquote liegt bei 83 Prozent“, sagt die Projektleiterin, die bis zu 150 Führungen im Jahr gibt.
Wer nochmals auf Tunnelführung gehen will und mehr zum Projekt Hauptbahnhof wissen möchte:
https://www.projekt-augsburg-city.de/hauptbahnhof/tunnelfuehrungen/
Bilder und Text: Sabine Roth